11.08.2007, Daniel Gerber

Ölförderung: «Das war vielleicht die Wende»

Gut möglich, dass der Zenit überschritten ist und nie mehr so viel Erdöl gefördert wird wie in den vergangenen Monaten. – Ein kleiner Knick in der Grafik mit vielleicht unvorstellbaren Folgen für die Wirtschaft.

In den kommenden Jahren könnte der Wirtschaftsmotor massiv ins Stottern geraten, erklärt Energiepionier Josef Jenni* und deutet auf den Bildschirm. Zu sehen ist eine Grafik zur weltweiten Fördermenge an Erdöl (siehe Foto). Vor einem Jahr, im Juli 2006, wurden knapp 86 Millionen Barrel** pro Tag mit Wasserdruck aus dem Boden gepresst. Diese Zahl wurde seitdem nie mehr erreicht, trotz steigender Nachfrage. Möglich, dass das Fördermaximum bereits überschritten ist.

Wir sprachen mit Josef Jenni über das endliche Gut.

Josef Jenni, vor einem Jahr reichte das Erdöl laut British Petrol noch für 42 Jahre. Reicht es jetzt – bei gleichbleibender Nachfrage – noch für 41 Jahre?
Josef Jenni: Nein, die Zahl ist etwa dieselbe geblieben, denn die Länder geben im wesentlichen immer gleich grosse Reserven an, unabhängig davon, wieviel sie inzwischen gefördert haben. Ausserdem wurden im letzten Jahr die Reserven von Kasachstan aufgewertet.

Haben Sie berechnet, wo der tatsächlich Wert liegen könnte?
Bei vielen OPEC-Ländern*** sind die Ölreserven Staatsgeheimnis. Aber sie könnten sehr viel kleiner sind als man meint. So soll etwa Kuwait nur ein Viertel des Öls haben, das sie offiziell ausweisen. Auch bei Saudi-Arabien sind zunehmend Zweifel angebracht.
Wie lange das Erdöl theoretisch noch reicht, ist überhaupt nicht wichtig; es reicht noch sehr lange. Wichtig ist: Ab wann kann man nicht mehr soviel fördern, wie man möchte? Dieser Punkt ist nun in etwa erreicht. Das sieht man auch daran, dass auf der Welt wieder viel mehr Kohle abgebaut wird. Im letzten Jahr nahm die Förderung zu wie noch nie. Geht es so weiter, ist in fünf bis sechs Jahren Kohle die Hauptenergiequelle auf der Erde und nicht mehr das Erdöl.

Wäre damit das Problem der Energiekrise gelöst?
Nein, man ersetzt dadurch ja nur das Erdöl. Energie wird immer mehr zur Mangelware. Und wenn Kohle der Hauptenergieträger ist, entsteht ein Treibhauseffekt, wie er mit Erdöl gar nicht möglich wäre: Kohle ist der grösste Verursacher von CO2.

Was ist heute anders als vor einem Jahr?
Man erkennt, dass sich jahrelange Trends zusehends bestätigen. Gerade vor ein paar Tagen hat die Internationale Energieagentur**** in Paris erstmals davon gesprochen, dass ab dem Jahr 2010 das Erdöl-Fördermaximum erreicht sein könnte. Noch vor zwei, drei Jahren hat die IEA solche Aussagen als Schwarzmalerei abgetan. Jetzt sprechen sie selbst davon – die sind erschrocken in den vergangenen Monaten.

Bezahlen wir im nächsten Jahr plötzlich zwei Franken oder mehr für den Liter Benzin?
Das ist möglich, vor allem dann, wenn die Weltwirtschaft weiter so floriert. Dann steigen die Energiepreise weiter. Aber wenn der Energiemangel den Preis hochtreibt und so die Weltwirtschaft einbrechen lässt, dann kommen auch die Preise wieder runter. Eine Vorhersage ist sehr schwer; es ist alles möglich.
 

Seit 35 Jahre kaum neue Ölfelder

Im deutschen Nachrichtenheft «Der Spiegel» äusserte sich der New Yorker Rohstoffexperte Jim Rogers vor kurzem folgendermassen: «Seit 35 Jahren wurden keine bedeutenden Ölfelder mehr entdeckt wie einst in Saudi-Arabien, der Nordsee oder Alaska. Die Briten exportieren seit 25 Jahren Öl. Noch in diesem Jahrzehnt werden sie zu Importeuren werden wie auch Malaysia, das ebenfalls seit Jahrzehnten exportiert. Auch Ölfelder in Mexiko und Alaska sind im Niedergang. Indonesien ist Mitglied der OPEC, der Organisation erdölexportierender Länder. Es wird noch in diesem Jahrzehnt aus der OPEC fliegen, weil es Öl jetzt importiert.»

Laut Rogers ist der Zuwachs an Ölreserven auf dem Papier grösser als in Wirklichkeit: «Saudi-Arabien zum Beispiel verkündet seit 1988 Jahr für Jahr, dass es über 260 Milliarden Barrel verfügt. Die Zahl geht weder rauf noch runter, egal wie gross die jährliche Fördermenge ist. Vor vier Jahren erklärten die Scheichs in Riad, dass sie fortan täglich 2,5 Millionen Barrel zusätzlich produzieren wollten. Darauf warten wir bis heute. Wenn die soviel Öl haben, warum bringen sie es dann nicht auf den Markt? Bei einem Preis von fast 75 Dollar je Barrel könnten sie ein Vermögen damit verdienen.»

* Josef Jenni ist Gründer und Leiter der «Jenni Energietechnik AG» im schweizerischen Emmental. Er ist Pionier für solare Energie- und Heiztechnik, sitzt für die EVP im Berner Grossen Rat und kandidiert für den Nationalrat. Vor einigen Jahren erfand er die «Tour de Sol».
** Ein Barrel ist ein Fass mit einem Volumen von 159 Litern. So gross waren im 18. Jahrhundert die Heringsfässer, die man in der ersten europäischen Ölförderanlage im elsässischen Pechelbronn benutzte. Unternehmer in den USA übernahmen Mitte des 19. Jahrhunderts diese Masseinheit. Sie hat sich seitdem auf der ganzen Welt durchgesetzt.
*** OPEC: Organisation erdölexportierender Länder
**** Internationale Energieagentur, auf englisch abgekürzt: IEA


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