Josef Jenni packt die Sonne in den Tank

Die Jenni Energietechnik AG in Oberburg beweist, dass sich Mehrfamilienhäuser mit Sonnenkollektoren und grossen Warmwasserspeichern heizen lassen. Die Nachfrage nach den Solartanks aus dem Emmental wächst.

Im Juni wurden die zehn Meter hohen Solartanks für die neuen Mehrfamilienhäuser in Oberburg gesetzt, rechts das 2007 gebaute Haus.

Im Juni wurden die zehn Meter hohen Solartanks für die neuen Mehrfamilienhäuser in Oberburg gesetzt, rechts das 2007 gebaute Haus. Bild: zvg

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Es braucht etwas Kondition, um die Treppenstufen bis in den Estrich des Mehrfamilienhauses in Oberburg zu erklimmen. Bis dort reicht der 17 Meter hohe Solartank, mit welchem das Haus seit sechs Jahren beheizt wird. Josef Jenni liest die Temperatur in dem 205'000 Liter fassenden Tank ab: 88 Grad. «Wir haben schon jetzt genügend Wärme für die Heizung und den Warmwasserbedarf im kommenden Winter gespeichert», sagt er.

Es war eine verrückte Idee, als Jenni vor 35 Jahren begann, Wassertanks zu konstruieren, in welchen die Wärme der Sommersonne für die Wintermonate gespeichert werden kann. Doch der Elektroingenieur sagt: «Es lässt sich ganz einfach ausrechnen, dass das Prinzip funktioniert – das ist reine Physik.»

Gegenwärtig entstehen in Oberburg zwei neue, sonnenbeheizte Mehrfamilienhäuser mit je acht Wohnungen. Vor wenigen Wochen wurden die beiden Solartanks gesetzt, inzwischen ist bereits die Aussenhülle fertig. Aufgrund der Erfahrungen mit dem ersten Haus sind die neuen Solarspeicher nur noch 10 Meter statt 17 Meter hoch und fassen mit 108'000 Litern nur noch etwas mehr als das halbe Volumen. Trotzdem müssen die Bewohner laut Jenni dank nochmals verbesserter Isolation des Gebäudes und idealer Raumaufteilung auf keinen Komfort verzichten: Sie dürfen sogar die Fenster öffnen, was bei Häusern mit Minergie-P-Zertifizierung und Komfortlüftung nicht erwünscht ist. Jenni verzichtet deshalb auf das Label.

Gebäude gehören den Kunden

Bei der Finanzierung geht Jenni originelle Wege: Die Jenni Liegenschaften AG, welche die Mehrfamilienhäuser baut, gehört mehrheitlich über 700 Kunden; Jenni selber und seine Familie besitzen an der Immobilienfirma nur eine Minderheit.

Josef Jenni gründete die Liegenschaften AG 1983, um das Eigenkapital für den Bau der ersten Werkstatt zu beschaffen. Der Direktor der Berner Kantonalbank habe damals nicht daran geglaubt, dass er das Geld auf diese Weise beschaffen könne, sagt Jenni. Doch der Bankier habe die Sympathie der Kunden für die Solarenergie unterschätzt: Schon nach wenigen Wochen sei der Bestand auf dem Aktienkonto hoch genug gewesen, worauf ihm die Bank den zusätzlich nötigen Hypothekarkredit gewährt habe.

Gut ausgelastet

Seither wurde das Aktienkapital stetig erhöht, und gegenwärtig ist eine weitere Finanzierungsrunde im Gang, denn neben den beiden im Entstehen begriffenen Mehrfamilienhäusern hat das Unternehmen im Mai eine neue Halle für die Produktion von grossen Solarspeichern eingeweiht. Die gesamten Investitionen belaufen sich auf 21 Millionen Franken. Deshalb hat die Generalversammlung der Jenni Liegenschaften AG eine Kapitalerhöhung von 13 Millionen Franken auf 19,5 Millionen Franken genehmigt. Ein Teil der 6500 neuen Aktien im Nennwert von 1000 Franken sei bereits gezeichnet, sagt Jenni. Noch seien weitere verfügbar, aber er sei zuversichtlich, genügend Kapital beschaffen zu können, um die Investitionen finanzieren zu können.

Er verfolge mit seinem Unternehmen keine Gewinnmaximierung, sagt Jenni: «Die Firma ist eine Plattform, auf der ich mich umweltpolitisch ausdrücken kann.» Aber er fügt gleich bei: «Dazu brauchen wir eine gewisse wirtschaftliche Kraft und wollen wachsen, damit wir mehr Gehör erhalten. Unabhängig davon ist die wichtigste Aufgabe eines Chefs, zu schauen, dass die Kasse im Lot ist.» Das wisse er aus Erfahrung, denn nicht nur der Start ohne eigenes Geld sei schwierig gewesen, auch nachher sei es mit der Jenni Energietechnik AG nicht immer nur aufwärtsgegangen. Zwischen 1996 und 2007 habe sie eine Durstrecke bewältigen müssen, denn aufgrund der tiefen Erdölpreise habe das Energiesparen damals an Bedeutung verloren.

Wenn ihm nicht im letzten Moment ein Freund finanziell unter die Arme gegriffen hätte, wäre er gezwungen gewesen, Mitarbeitende zu entlassen. Der Anstieg des Erdölpreises nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2008 habe dann die Wende nach oben gebracht. Seither sei das Unternehmen konstant gut ausgelastet, weshalb der Entscheid zugunsten einer neuen Produktionshalle und neuer Mehrfamilienhäuser gefallen sei.

Energetikhäuser in Deutschland

Die Häuser in Oberburg dienen nicht zuletzt als Referenz bei der Kundenwerbung, offensichtlich erfolgreich: «In Europa haben wir bei vollständig solarbeheizten Wohnhäusern einen Marktanteil von rund 90 Prozent», sagt der Firmengründer. Mittlerweile sind in der Schweiz und im übrigen Europa 15'000 Solarspeicher aus Oberburg installiert. Ein wichtiger ausländischer Partner ist die Fasa AG im deutschen Chemnitz, welche die Speicher in ihre Energetikhäuser einbaut. Schmunzelnd sagt Jenni, der Hauptsitz von Fasa befinde sich im Gebäude der ehemaligen Stasi-Telefonabhörzentrale – heute werde das Haus sinnvoller genutzt. Kürzlich besuchte der deutsche Bundesumweltminister Peter Altmaier zwei energieautarke Häuser mit Jenni-Technik in der Nähe von Dresden.

Solartanks werden auch in Einfamilienhäusern eingesetzt. Dort ist es laut Jenni sinnvoller, nur 80 bis 90 Prozent des Wärmebedarfs mit Sonnenenergie abzudecken, weil die Aussenwände im Verhältnis zum Innenraum relativ gross seien, was die Isolation erschwere. «Als Ergänzung genügt ein Schwedenofen im Wohnzimmer», sagt er.Eine Heizung mit Solartank ist teurer als eine Öl-, Gas- oder Wärmepumpenheizung. Eine konventionelle Luft-Wasser-Wärmepumpe käme bei den Mehrfamilienhäusern in Oberburg auf 40'000 Franken zu stehen, die Solaranlage kostet 250'000 Franken – Mehrkosten pro Wohnung: 26'000 Franken. Die Wärmepumpe verbraucht allerdings Strom, während der Solartank laut Jenni seinen Dienst während 50 bis 60 Jahren ohne Energie von aussen leistet. Er wirbt deshalb auch unter dem Stichwort Altersvorsorge für seine Solarspeicher.

Bescheidener Lohn

Er selber beziehe einen vergleichsweise bescheidenen Cheflohn von weniger als 10'000 Franken im Monat. «Wahrscheinlich würde ich als angestellter Ingenieur besser leben», scherzt er. Sein letztes Auto habe er während 20 Jahren gefahren, und jetzt besitze er einen Kleinwagen mit geringem Dieselverbrauch.

Ein Hybridauto würde er aus ökologischen Gründen nicht kaufen, denn es sei zu schwer, die Herstellung verbrauche zu viel Energie, und in den Batterien steckten giftige Stoffe. Deshalb habe er auch Vorbehalte gegenüber Elektroautos. Elektrovelos seien als Ersatz für ein Auto sinnvoll, aber nicht als Ersatz für ein anderes Velo.

Wegen der Entsorgung steht er auch dem Einsatz grosser Batterien für die Speicherung von Solarstrom kritisch gegenüber. «Die einzige praktikable Möglichkeit, Solarstrom zu speichern und so die Produktionsspitzen auszunutzen, besteht im Bau von grossen Pumpspeicherkraftwerken», sagt er.

Kritik an Fotovoltaik-Förderung

Ärger verursacht bei ihm die Förderung der Fotovoltaik in Deutschland, aber auch in der Schweiz: «Das ist eine Katastrophe», sagt er. Da werde mit Subventionen eine Technologie gefördert, die im Sommer bei schönem Wetter zu viel Strom produziere und im Winter sowie in der Nacht zu wenig. Wer Solarzellen installiere, habe dank Subventionen eine lukrative Einnahmequelle. Es sei ökonomisch und ökologisch sinnvoller, Sonnenkollektoren zur Produktion von Warmwasser auf den Dächern zu montieren. Wenn der Staat den Solarstrom fördere, sollte er immerhin im gleichen Umfang auch die Solarwärme fördern.

Jenni spielt darauf an, dass in der Schweiz 40 Prozent der Energie für Heizen und Warmwasser verwendet werden und dass dabei Erdöl und Gas dominieren. Er sagt: «Die Energiewende sollte zuerst bei der Wärme ansetzen und nicht beim Strom.»

Atomkraftwerke seien rasch abzuschalten, fordert er aber auch heute noch – schliesslich hat er schon als Student gegen AKW demonstriert. Der wegfallende Atomstrom soll aber nicht durch subventionierten Solarstrom ersetzt, sondern eingespart werden. Allenfalls könnten Gaskraftwerke zur kurzfristigen Überbrückung von Engpässen im Winter eingesetzt werden: «Wenn wir die Häuser mit Solarwärme heizen, vermeiden wir so viel CO2, dass wir einen kleinen Anteil des Stroms mit Gas produzieren dürfen.»

Reissbrett statt Computer

Die selber gebauten Anlagen, mit welchen Solartanks und Wärmetauscher in der Werkstatt gefertigt werden, zeichnet Jenni eigenhändig am Reissbrett mit Bleistift, Lineal und Zirkel – so, wie er es vor über drei Jahrzehnten am Technikum Burgdorf gelernt hat. «Ich bin schneller als jeder, der mit dem Computer arbeitet – da macht mir keiner etwas vor.»

Auch die Finanzen kontrolliert Jenni mit Stift und Lineal: Er zeichnet jede Woche Kassenstand und Kreditbeanspruchung von Hand auf ein Blatt Papier. «Es brauchte einiges, bis ich die Banken von meiner Methode überzeugt hatte, aber heute stellen sie diese nicht mehr infrage», sagt er.

Mit dem Tandem ans Nordkap

Wer sich seit mehr als drei Jahrzehnten erfolgreich in der Solartechnikbranche behaupten kann, benötigt einen starken Durchhaltewillen. Den beweist Jenni auch in seiner Freizeit als begeisterter Velofahrer: Im vergangenen Sommer ist er von Zürich nach Wien gefahren. Auch nordwärts dem Rhein entlang bis nach Holland sowie südwärts das Rhonetal hinab ans Mittelmeer ist er schon geradelt.

Einen Traum habe er noch, sagt er: mit einem konditionsstarken Partner per Tandem ans Nordkap fahren. Da er nun 60 Jahre alt werde, überlege er sich, im kommenden Jahr einen längeren Urlaub zu nehmen, um sich diesen Traum erfüllen zu können. (Der Bund)

Erstellt: 19.10.2013, 09:00 Uhr

Solarpionier und Politiker

Josef Jenni hat recht bekommen: «Tausende von Arbeitsplätzen dank der Solartechnik», prognostizierte er vor 25 Jahren gegenüber dem «Bund».

Heute sind unzählige Firmen in der Solarindustrie tätig. Josef Jenni gründete 1976 zusammen mit seinem Bruder Erwin und weiteren Familienmitgliedern die Jenni Energietechnik AG in Bremgarten. Seit 1983 ist sie in Oberburg ansässig. Der Start war schwierig, denn Sonnenenergie galt damals als exotisch.

Um sie bekannt zu machen, erfand er die «Tour de Sol», die Schweizer Rundfahrt für Solarfahrzeuge, welche zwischen 1987 und 1993 durchgeführt wurde. Sein Unternehmen baut heute keine Solarfahrzeuge mehr, sondern Solartanks für Warmwasser und Heizung. Im Jahr 1989 bauten er und sein Bruder als Pionierprojekt das ganz mit Solarwärme und Solarstrom versorgte Sonnenhaus in Oberburg.

2007 erstellte die Jenni Energietechnik AG das erste ganz mit Sonnenwärme beheizte Mehrfamilienhaus. Vor kurzem hat sie eine neue Produktionshalle in Betrieb genommen, und zwei mit Sonnenwärme heizbare Mehrfamilienhäuser sind im Bau. Die Jenni Energietechnik AG erzielt laut Firmenchef Jenni mit 75 Mitarbeitenden einen Jahresumsatz von 13 Millionen Franken.

Den Cashflow beziffert er auf 500'000 bis 900'000 Franken pro Jahr. Er betont, das erarbeitete Geld bleibe in der Firma und werde nicht als Dividende ausgeschüttet.

Jenni hat drei Kinder. Tochter Tabea arbeitet als Personalchefin in der Firma und studiert Betriebswirtschaft. Ehefrau Karin leitet die Jenni Liegenschaften AG.

Jenni engagierte sich auch politisch. Er war in den Siebzigerjahren Initiant der Abstimmung «12 autofreie Sonntage». Der Slogan «Oil of Emmental» stammt von ihm, mit welchem für die Verwendung von Holz als erneuerbare Energie geworben wird. Von 2006 bis 2012 gehörte er als Vertreter der Evangelischen Volkspartei (EVP) dem Grossen Rat des Kantons Bern an. Seine Broschüre «Das Sonnenhaus» ist in der 3. Auflage mit 30000 Exemplaren erschienen.

Am 1. November wird Josef Jenni 60 Jahre alt. Sein politischer Kampf geht weiter. Momentan setzt er sich insbesondere für eine ökologische Steuerreform ein, die er als besten Ansatz sieht, unsere Energie- und Umweltprobleme zu bewältigen.

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